Altersvorsorge: Warum sich Rentenversicherungen mit Garantien nicht lohnen

Garantien klingen gut, können aber bei Rentenversicherungen auch schaden. Wir zeigen dir, wann sie keine gute Idee sind.
Dr. Chris Mulder

Dr. Chris ist ein ehemaliger leitender Wirtschaftswissenschaftler und Manager beim Internationalen Währungsfond und der Weltbank. Er ist einer der Mitbegründer von Hypofriend.

Veröffentlicht am 27. Nov. 2022 Veröffentlicht am 27. Nov. 2022 . Aktualisiert vor 25 Tagen

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Dr. Chris ist ein ehemaliger leitender Wirtschaftswissenschaftler und Manager beim Internationalen Währungsfond und der Weltbank. Er ist einer der Mitbegründer von Hypofriend.

Versicherungsunternehmen bewerben Rentenversicherungen mit Garantien als besonders chancenreich und wertbeständig. Tatsächlich sind diese Altersvorsorge-Produkte sehr beliebt, denn sie scheinen das Beste aus zwei Welten zu bieten: die Teilhabe am Kursanstieg eines Aktienindex und zeitgleich die Garantie, nie einen Verlust zu erleiden. Leider sind diese Behauptungen ziemlich irreführend, wie wir im Folgenden mit einem genauen Blick auf 'Index Select' vom Branchenführer Allianz zeigen werden.

Unser Fazit: Allianz Index Select und ähnliche Produkte¹ sind in Wirklichkeit nicht die Aktienindexbeteiligungsstrategien, als die sie angepriesen werden, sondern vielmehr Optionsarbitrage-Strategien. Solche Produkte sind für langfristige Anleger nicht geeignet, da sie hohe Kosten und geringe Renditen mit sich bringen und es unsicher ist, ob selbst bescheidene Renditen mittel- bis langfristig Bestand haben können. Abbildung 1 zeigt dir das Wesentliche: Dein Geld ist stabil, wird aber nicht wachsen, im Gegensatz zum Index, der instabil ist, aber wachsen wird.

Was sie dir sagen, wie Rentenversicherungen mit garantierten Leistungen funktionieren

Es gibt unzählige Produkte der Altersvorsorge auf dem Markt, sehr viele davon auch mit garantierten Leistungen. Um nicht nur um den heißen Brei herumzureden, sondern dir auch Zahlen und Fakten liefern zu können, werden wir uns im Folgenden immer wieder auf eines der am weitesten verbreiteten Produkte des Marktführers beziehen: Allianz Index Select.

Hier können die Anleger zwischen einer jährlichen garantierten Mindestrendite und einer Index-Option wählen, die entweder am Euro Stoxx 50 oder am S&P 500 Index partizipiert. Bei letzterer Option ist deine Rendite auf etwa 2 % pro Monat gedeckelt, und im Gegenzug ist garantiert, dass deine nominale Investition nie ins Negative sinkt. Allerdings erhältst du keine Dividenden, wenn du dich für die Indexbeteiligung entscheidest, da sich die Dividenden nicht im Index widerspiegeln. Beachte auch, dass die Garantien vor Kosten gelten: Nach Abzug der Kosten kann deine Rendite also durchaus negativ sein.

Die Allianz garantiert zwar, dass dein Gesamtverlust nach Abzug der Kosten nicht mehr als 10 % beträgt, aber diese Garantie gilt wiederum nur für den Beginn Zeitpunkt deines Rentenbeginns.

Wie Rentenversicherungen mit garantierten Leistungen wirklich funktionieren

Es mag dich überraschen, aber im Grunde ist die Indexbeteiligung eine Arbitrage-Optionsstrategie. Hier ist eine genaue, wenn auch notwendigerweise etwas komplexe Erklärung – die du überspringen kannst, wenn du willst, um nächsten Abschnitt über die Kosten weiterzulesen:

Das Produkt beinhaltet den jährlichen Kauf einer sogenannten „Put-Option“ auf den von dir gewählten Aktienindex mit einer Laufzeit von einem Jahr. Das heißt, diese Option gibt der Allianz das Recht, deine Investition in den Index für die Dauer eines Jahres zum aktuellen Kurs zu verkaufen. Das dient der Absicherung der Investition, kostet dich aber einen beträchtlichen Teil deines Vermögens, derzeit etwa 8 %.

Um dies wieder auszugleichen, verkauft die Allianz monatliche Call-Optionen, die einen Monat lang gültig sind und bei einem Preis von etwa 2 % über dem aktuellen Kurs ausgeführt werden können. Das heißt, die Allianz gibt das Recht ab, von einem Gewinn von über 2 % zu profitieren. Das nennt man den ‚Cap‘, und die Allianz begrenzt ihrerseits den maximalen monatlichen Gewinn, den du mit ihrer Investition erzielen kannst. Diese Call-Optionen können für beispielsweise 0,67 % pro Stück verkauft werden. Über 12 Monate ergibt das einen Gewinn von 8 %. Unterm Strich ist diese Strategie also in etwa kostenneutral: Die Kosten für die Puts werden durch die Gewinne aus den Calls ausgeglichen.² Solange die Calls 'aus dem Geld' verkauft werden können (d. h. mit einem Ausübungspreis über dem aktuellen Aktienkurs), lässt sich mit dieser Strategie ein gewisser Gewinn erzielen.

Zusätzlich bietet die Allianz als Option eine garantierte jährliche Mindestrendite an, derzeit etwa 1,9 % (vor Abzug der Kosten). Wie das finanziert wird, ist unklar. Möglicherweise aus den Gewinnen, die mit Kunden erzielt werden, die die Indexbeteiligungsoption nutzen. 

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Wie die Kosten deine Rendite auffressen

Wie hoch die Kosten für ein solches Produkt sein dürfen, ist nicht geregelt. Aus einem aktuellen Angebot geht hervor, dass für Allianz Index Select Effektivkosten von 1,29 % pro Jahr anfallen, wenn das Produkt 30 Jahre lang gehalten wird. Wenn du den Vertrag aber nur 15 Jahre hältst, liegen die Kosten etwa 1 % höher.

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Bewertung der Rendite von Rentenversicherungen mit garantierten Leistungen

Die Strategie des Allianz Index Select bringt eine solide Rendite, wenn der Index sehr gleichmäßig wächst. Aber in volatilen Jahren sind die Verluste hoch und können die Gewinne leicht aufwiegen, da die Gewinne eben nach oben begrenzt sind.

Ein stabiles Wachstumsjahr mit beispielsweise 8 Monaten à 1,5 % Gewinn und 4 Monaten mit 1 % Verlust bringt dir einen Nettogewinn von 8 %. In einem volatilen Jahr mit 4 Monaten à 4 % Gewinn, 4 Monaten mit 2 % Verlust und 4 Monaten ohne Wachstum erhältst du aber nur 0 %, während der Index i, gleichen Zeitraum um 8 % gestiegen ist, da deine Gewinne von 4 × 4 % auf 4 × 2 % gedeckelt sind.

Um die tatsächliche Auswirkung dieser Gewinndeckelung des Allianz Index Select weiter zu untersuchen, haben wir die Erfolgsbilanz dieser Strategie im Laufe des längsten verfügbaren Datensatzes für die beiden von der Allianz angebotenen Indizes untersucht. 

Über 40 Jahre hätte diese Strategie (mit einer Deckelung der Gewinne bei 2 %) für den Euro Stoxx 50 Index eine Bruttorendite von jährlich etwa 1,75 % erzielt. Nach Abzug der Kosten bliebe für dich dann noch etwa 0,4 % Rendite über. 

Hätte man dieselbe Strategie stattdessen auf den S&P 500 Index statt den Euro Stoxx angewendet, hätte man deutlich bessere Ergebnisse erzielt. Bei Betrachtung der letzten 150 Jahre wäre nach Abzug der Kosten eine Rendite von etwas mehr als 2 % übrig geblieben, was in etwa der durchschnittlichen Inflationsrate entspricht. Die Kosten für die Absicherung des Währungsrisikos sind dabei noch nicht eingerechnet.

Wenn du in diesem Zeitraum direkt in Aktien investiert hättest, hättest du eine jährliche Rendite von 9,3 % erzielt! Man muss kein Mathegenie sein, um zu erkennen, dass das ein Vielfaches davon ist!

Unsere Meinung zu Rentenversicherung mit garantierten Leistungen

Wir sind eher skeptisch, was die Verwendung einer solchen Strategie für ein langfristig angelegtes Portfolio zur Altersvorsorge angeht, da die reale Rendite bei null liegt oder sogar negativ ist. 

Grundsätzlich gibt es noch weitere Risiken, wenn die Strategie der Allianz über einen längeren Zeitraum angewendet wird: Es gibt keine Garantie dafür, dass die Optionspreise so bleiben, wie sie sind, und daher sind diese Renditen auch nicht garantiert. Es ist sogar eher unwahrscheinlich, dass diese Arbitragestrategie attraktiv bleibt und nennenswerte Renditen bringt. Wenn die Strategie in größerem Umfang eingesetzt wird, sinken die Erträge und machen sie noch unattraktiver.

Dafür gibt es klare Belege. Als diese Strategie von der Allianz eingeführt wurde, waren die Erträge viel höher als in den vergangenen Jahren. Das heißt, die Obergrenze lag deutlich höher und damit auch die zu erwartenden Renditen. 

Daher raten wir unseren Kunden dringend davon ab, langfristig in Allianz Index Select oder ein anderes Produkt mit einer solchen Strategie zu investieren. Zumal das Produkt auch mit erheblichen Abschlussgebühren verbunden ist (die für die gesamte Beitragsdauer berechnet und erhoben werden) und die minimale Rendite vor Abzug der Kosten nicht einmal sicher ist. 


Entlarvend ist auch, dass bislang noch niemand die Strategie so detailliert analysiert hat und offen erklärt, wie sie wirklich funktioniert, wie wir es hier tun. Oder Tests mit langfristigen historischen Daten durchgeführt hat, um die Leistungen genau zu überprüfen. Mit anderen Worten: Es scheint, dass dieses Produkt selbst für Verkäufer und Berater von Altersvorsorgeprodukten zu komplex ist.³

Unser Fazit

Allianz Index Select-Produkt ist nicht die lohnenswerte Strategie zur Beteiligung an einem Aktienindex, als die das Produkt angepriesen wird. Vielmehr handelt es sich um eine Optionsarbitrage-Strategie.

Angesichts der hohen Kosten, der geringen Renditen und der Ungewissheit, ob selbst die bescheidenen Renditen mittel- bis langfristig Bestand haben werden, finden wir das Produkt für langfristige Anleger nicht empfehlenswert.

Langfristige Anleger sollten einfach auf gute Aktienindizes setzen. Auf lange Sicht sind so selbst im ungünstigsten Fall durchschnittlich 6 % Rendite möglich.⁴

¹ Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Allianz Index Select. Ähnliche Produkte, die von verschiedenen anderen Unternehmen angeboten werden, haben die gleichen Nachteile.

² Diese Strategie macht sich die Tatsache zunutze, dass monatliche Kaufoptionen normalerweise teurer sind als jährliche Verkaufsoptionen.

Eine Ausnahme ist eine Veröffentlichung des Instituts für Vorsorge und Finanzplanung IVFP, das 2014 eine Studie dazu veröffentlicht hat, die für stolze 1.166,20 € käuflich erworben werden muss. Die Schlussfolgerung dieser Studie, dass die Rendite dieser Strategie die des reinen Indexes übertrifft (basierend auf Daten von 1987 bis 2013), konnte von uns nicht repliziert werden. Dieses Ergebnis würde auch nicht durch Optionsarbitrage als dauerhaftes Resultat gestützt werden, da eine Arbitragestrategie kostenneutral ist und ihr Ergebnis sowohl mehr Sicherheit als auch höhere Rendite impliziert. Dies hätte als unvereinbar mit der Finanztheorie gewertet werden müssen und ist daher keine Grundlage für Prognosen. In der obigen Abbildung verwenden wir die längste verfügbare Zeitreihe von boerse.de, das heißt ab Februar 1991. Die in Abbildung 1 dargestellten Ergebnisse widersprechen der Schlussfolgerung der IVFP-Studie. Wie du denn kannst, schneidet der Index bei einer angenommenen durchschnittlichen Obergrenze von 2,2 % deutlich besser ab als der Allianz Index Select. Das Ergebnis der IVFP-Studie könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Index in den beiden Jahren 1987 und 1989 sehr gute Ergebnisse erzielte und für die Anfangszeit, als Allianz Index Select noch gar nicht verfügbar war, eine unrealistische Obergrenze angenommen wurde. 

⁴ Langfristig ist der Schutz deines Portfolios vor einem Kursrückgang durch Optionen sehr kostspielig und unnötig. Auf lange Sicht wirst du keine Verluste einfahren, da du mit deiner Investition direkt an der Realwirtschaft beteiligt bist und diese letztendlich immer wächst. Je länger du Aktien hältst, desto sicherer sind sie – vorausgesetzt, du streust sie gut, z. B., indem du dich an einem breiten Index beteiligst.